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Tuckmans 4-Phasen-Modell

23.7.2018 | 4 Minuten Lesezeit

Lasst uns ein agiles Projekt starten. Von der fachlichen wie von der technischen Seite werden Spezialisten abgestellt, um ein gegebenes Problem zu lösen. Der Rahmen ist gesetzt, die Entwicklung kann also beginnen. Das Team ist frisch, die Anforderungen sind klar, was kann jetzt noch schiefgehen? Einiges, lehrt uns die Erfahrung. Gerade am Anfang ist die Leistungsfähigkeit eines Teams eingeschränkt. Diese Tatsache ist nicht neu. Zur Erklärung wird oft das 4-Phasen-Modell von Tuckman herangezogen. Genau dieses Modell wollen wir in diesem Blogartikel beleuchten.

Tuckmans Phasenmodell (1965/1977)

Die vier Phasen forming, storming, norming und performing werden erstmals 1965 von Bruce W. Tuckman beschrieben.[1] Es handelt sich bei dieser Arbeit um eine Review anderer wissenschaftlicher Artikel. Die Artikel beschäftigen sich mit Gruppendynamik und Teamperformance. Tuckman postuliert als Zusammenfassung ein Modell, in dem ein Team bestimmte Phasen durchwandern muss, bevor es seine optimale Leistungsfähigkeit erreicht.

1977 führte Tuckman zusammen mit Mary Ann C. Jensen eine Review seiner damaligen Arbeit durch.[2] Als Ergebnis wurde eine weitere Phase “adjourning” (hier: “unterbrechen”, “aussetzen”) hinzugefügt.

Tuckmans postulierte Phasen

PhaseCharakterisierung
forming“Die Teammitglieder kommen das erste Mal zusammen. Dieses Kennenlernen und erste Beschnuppern ist oft mit Unsicherheit verbunden: Werde ich vom Team akzeptiert? Kann ich mich in diesem Team voll entfalten? In dieser Phase sind die Beziehungen der Teammitglieder untereinander noch völlig offen und unklar.”
storming“Die Teammitglieder versuchen, über Aufgaben- und Rollenkonflikte ihr Revier abzustecken. Diese Phase ist besonders kritisch. Stoßen hier dominante Charaktere aufeinander, kann dies den gesamten Arbeitsprozess des Teams beeinflussen. Deshalb sollte diese Phase mitunter durch einen Moderator begleitet werden.”
norming“Nachdem die Machtkämpfe abgeschlossen sind, kann das Team zusammenwachsen. Das Festlegen von Regeln und die gemeinsame Definition von Rollen (norming) im Team unterstützen diesen Prozess.”
performing“Die sich anschließende eigentliche Arbeitsphase beginnt und wird durch die Regeln gesichert.“
adjourning (1977)“Für temporäre, nur vorübergehend zusammenarbeitende Teams schließen sich Ablösungsprozesse an. Die Teammitglieder lösen sich voneinander und auch von der gemeinsamen Aufgabe. Im Idealfall reflektieren sie gemeinsam oder auch individuell über ihre Teamerfahrungen und lernen daraus für folgende Gruppenarbeiten.“

Quelle: Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor [3]

Phasenmodell von Tuckman

Das Modell sagt voraus, dass diese Phasen nicht nur einmal, sondern potenziell wiederholt durchwandert werden. Als Auslöser für diesen ‚Neustart‘ finden sich u.a. diese Gründe:

  • offene Teams, die einem Mitgliederwechsel ausgesetzt sind
  • stabile Teams, mit wechselnden Rollen- und Aufgabenteilungen

4-Phasen-Modell: Grenzen und Kritik

Ein wichtiger limitierender Faktor wurde bereits erwähnt: Das Modell behandelt kleine Gruppen oder Teams. Die Größenordnung selbst wurde von Tuckman et al. keineswegs festgelegt. Andere Quellen nennen eine Größe von fünf bis acht Personen.

Tuckman selbst äußerte eine gewisse Skepsis an seinem Modell, da seiner Ansicht nach die genutzten Quellen als nicht repräsentativ angesehen werden können. Er begründete dies mit der deutlich höheren Zahl an Artikeln über Therapie- und Trainings-Gruppen gegenüber Artikeln über natürliche oder experimentelle Gruppen.

Weitere Autoren kritisieren den statischen Charakter des Modells. Demnach müssten alle Phasen durchwandert werden, bevor die komplette Leistungsfähigkeit wiederhergestellt sei. In späteren Erweiterungen des Modells werden Möglichkeiten eingeräumt, in denen das Team in frühere Stadien zurückfallen können.[4][5]

Weiterhin beschreibt das Modell, dass die storming-Phase kritisch sei. Es lässt aber offen, ob und wie diese beendet werden kann. Ebenfalls ist offen was passiert, wenn die storming-Phase “niemals” endet und ggf. das Team zerbricht.[5] Diese Punkte hier mit zu betrachten würde den Rahmen dieses Blogartikels sprengen.

Zusammenfassung

Das Tuckman-Modell ist das mit Abstand bekannteste Modell zur Teambildung. Obwohl es durchaus Hinweise aus Beobachtungen gibt, die sich mit dem Modell erklären lassen, sollte man nicht außer Acht lassen, dass die Datenlage nicht als gesichert gilt. Interessanterweise hat die fünfte Phase “adjourning” sehr selten Einzug in die spätere Literatur gehalten. Bis heute wird daher häufig vom 4-Phasen-Modell gesprochen.

Das Modell lässt bestimmte Fragen offen. Beispielsweise müssen sich nicht alle Teammitglieder in der selben Phase befinden oder die Wirkung von einer lang andauernden storming-Phase.

Als Alternative zum 4-Phasen-Modell wollen wir hier nur in aller Kürze und beispielhaft das kybernetische Modell erwähnen.[6] Dieses Modell basiert auf der Theorie von geschlossenen Systemen, das durch Rückkopplungsmechanismen auf innere Störungen reagiert. Die Teamdynamik wird daher durch das Verhalten der Teammitglieder selbst bestimmt. Ein Durchlaufen festgelegter Phasen wird dadurch in Frage gestellt.

Abschließend kann gesagt werden, dass das 4-Phasen-Modell eine gute Grundlage für die Erklärung vieler Gruppendynamiken ist. Man sollte jedoch im Kopf behalten, dass das Modell längst nicht alle Fälle abdeckt. Es können damit auch Gruppendynamiken auftreten, die dann nicht mehr durch das 4-Phasen-Modell erklärt werden können.

Quellen

  1. Tuckman B. W. Developmental sequence in small groups. In: Psychological Bulletin. 63, 1965, 384–399.
  2. Tuckman B. W., Jensen M. A. C. (1977). Stages of Small-Group Development Revisited. Group & Organization Management, 2(4), 419-427.
  3. Kauffeld, S. (2014). Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor. Springer-Verlag: Berlin, Heidelberg.
  4. Brodbeck, F. C. (2004). Analyse von Gruppenprozessen und Gruppenleistung. In H. Schuler (Ed.), Lehrbuch Organisationspsychologie (pp. 415-438). Bern: Hans Huber.
  5. Weibler J., Neuenfeld M, Serhane W., Bergin M. (2003) Organizational Behavior III. Kurs 41712. Fernuniversität Hagen
  6. Herold F. (2003) Seminararbeit: Der Weg der Gruppe. Universität Zürich, Pädagogisches Institut, Pädagogische Psychologie I

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