Erinnerst du dich noch an das letzte Mal, als ihr als Team eine wichtige Entscheidung in eurer Produktentwicklung treffen musstet, aber ihr Probleme hattet, euch zu entscheiden? Damit ist jetzt Schluss, denn mit Product Principles trefft ihr Produktentscheidungen mit Lichtgeschwindigkeit.
Vielleicht war es das letzte Refinement, in dem ihr die Spezifikationen für das neue Produkt-Feature mit dem Team besprechen wolltet? Es musste eine Entscheidung getroffen werden, wie die Lösung aussehen könnte. Doch anstatt, dass sich schnell alle einig sind, starten die Diskussionen.
Kollege A: "Ich bin mir nicht sicher, ob die Lösung überhaupt zu unserem Produkt passt." Kollege B: "Wollen wir nicht lieber erst einen MVP bauen und dann eine Komplettlösung?” Kollege C: “Ich mag die Idee, weil sie einfach cool ist.”
Am Ende seid ihr im schlimmsten Fall keinen Schritt weiter. In diesem Blogartikel möchte ich euch zeigen, wie ihr solche Situationen in Zukunft vermeiden und mit Product Principles schnell Entscheidungen im Team für euer Produkt treffen könnt.
Was sind Product Principles?
Product Principles unterscheiden sich erstmal nicht wesentlich von anderen Prinzipien. Prinzipen sind feste Regeln, die jemand zur Richtschnur seines Handelns macht, durch die er sich in seinem Denken und Handeln leiten lässt (Quelle: Duden)). Wenn wir das in den Produktkontext setzen, dann beschrieben Product Principles Grundsätze, die für euer Produkt gelten. Marty Cagan beschreibt in seinem Buch Inspired in Kapitel 27 Product Principles als "nature of the products you want to create".
Product Principles reflektieren, die Werte oder DNA eures Produkts. Sie komplementieren die Produktvision (die Zukunft eures Produkts) und die Produktstrategie (der Weg in die Zukunft). Mehrere Product Principles bilden ein Manifest. Das bekannteste Manifesto an Principles ist vermutlich das Agile Manifest (https://agilemanifesto.org/)
Warum solltet ihr Product Principles benutzen?
Product Principles sind ein nützliches Werkzeug, dass ihr als Product-Team nutzen könnt, um Produktentscheidungen zu treffen: Bauen wir Feature A oder B? Gehört das wirklich zu unserem Produkt oder kann das über eine andere Lösung angeboten werden? Product Principles helfen dem Product-Team diese Fragen effizient, schnell und eindeutig zu beantworten.
Zum besseren Verständnis: Stellt euch vor, ihr seid der Pilot eines Flugzeugs und ihr fliegt von Berlin nach New York. Ihr werdet auf eurem Flug viele Entscheidungen treffen müssen. Zum Beispiel, wenn das Wetter schlechter wird und ein Sturm aufzieht. Fliegt ihr durch den Sturm und riskiert, dass eure Passagiere einen unruhigen Flug haben und sich beim nächsten Ticketkauf für eine andere Airline entscheiden? Oder umfliegt ihr den Sturm und nehmt damit eine längere Flugzeit in Kauf?
Eines euerer Prinzipien könnte sein, dass der Komfort eurer Passagiere die höchste Priorität hat. Dann ist die Entscheidung in dieser Situation schnell getroffen: Ihr umfliegt den Sturm.
Product Principles beschreiben also kein Feature oder sind an ein Release gekoppelt. Sie sind auch keine Design Principles (Primary Buttons müssen immer Rot sein). Sondern beschreiben eure fundamentalen Produktgrundsätze.
Beispiele
Wie können Product Principles in der Praxis aussehen? Hier ein paar Beispiele für Product Principles:
Google: "Focus on the user and all else will follow" (Quelle: https://about.google/philosophy/)
Atlassian: “Build Trust in every action” (Quelle: https://atlassian.design/resources/atlassian-design-principles)
Intercom: "Connected, modular systems." We favor modular systems over bespoke optimizations. We reuse, evolve and merge before creating something new.“ (Quelle: https://www.intercom.com/blog/the-full-stack-design-system/)
Ich habe einmal in einem sehr performance-lastigen Retail-Unternehmen gearbeitet. Eines unser Product Principles damals lautet: Automatisieren wann immer möglich, um die Effizienz zu steigern.
Was sind gute Product Principles?
Nachdem wir nun gelernt haben, was Product Principles sind und warum euch diese helfen, schnell Produktentscheidungen zu treffen, wollen wir uns die Anatomie von Product Principles näher anschauen.
Gute Product Principles sind:
- Motivierend: Sie inspirieren euch bei der Erstellung von Product Outcome.
- Priorisierend: Sie helfen euch schnell Entscheidungen zu treffen und euren Fokus zu behalten.
- Spezifisch: Sie sind so spezifisch, dass sie strategisch und fundamental über den gesamten Produktlebenszyklus anwendbar sind .
- Simpel: Einfach zu merken und leicht umzusetzen. Fokussiert euch auf kurze, einfache Sätze. Schreibt nicht mehr als 3-4 Principles auf.
- Emotionalisierend: Sie ermöglichen es euch, dem Unternehmen und anderen sich leicht mit eurem Produkt und dessen Werten zu identifizieren.
- Unterstützend: Sie helfen unterstützen euch bei Entscheidungen, wie ihr das Produkt baut (z. B. an Hand von UX-Prinzipien) und welche Kompromisse ihr dabei eingeht.
Wie erstellt ihr Product Principles?
Meiner Erfahrung nach habt ihr als Product-Team Product Principles implizit oder explizit während der Produktentwicklung schon einmal festgelegt. Ihr trefft täglich Entscheidungen für euer Produkt, aber vermutlich habt ihr diese noch nie aufgeschrieben oder ihr habt sie aufgeschrieben und sie verstauben jetzt in der Schublade. Schaut in die letzten Retrospektiven, vielleicht finden sich dort bereits ein paar heiße Kandidaten für Product Principles. Oder ihr erinnert euch an das letzte Refinement, in dem ihr Grundsätze für euer Produkt definiert habt.
Am besten ist es aber, wenn ihr euch erinnert, wann ihr das letzte mal “Nein” gesagt habt zu einem Feature, Idee oder Request, weil es überhaupt nicht zu eurem Produkt passt. Voila, hier habt ihr euer Principle.
Ein Blick in die Unternehmenswerte und -strategie sind ebenfalls gute Anhaltspunkte für Prinzipien: Was macht euch als Unternehmen besonders und wie könnt ihr mit eurem Produkt darauf einzahlen. Achtet auch darauf, dass eure Product Principles im Einklang mit den Unternehmensrichtlinien stehen und nicht konträr dazu.
Product Principles erstellt ihr am besten gemeinsam als Team. Damit garantiert ihr, dass alle Teammitglieder die Product Principles mittragen und ihr ein gemeinsames Verständnis für euer Produkt entwickelt. Dafür eignet sich am besten ein Workshop, in dem ihr euch die Zeit nehmt eure Produktwerte aufzuschreiben.
Product-Principle-Workshop
Folgendes Format könnt ihr für euren Workshop nutzen:
👤 Teilnehmer: Gesamtes Produktteam, gegebenenfalls wichtige Stakeholder
⚙︎ Voraussetzungen: Miro-Board (virtueller Workshop), Whiteboard und Moderationskoffer (Onsite-Workshop)
⏰ Timing: Ein guter Zeitpunkt, Product Principles zu definieren ist, wenn das Produkt schon etwas "erwachsener" ist. Ihr kennt euren Markt, ihr kennt eure Zielgruppe und ihr wisst, warum euer Produkt besser ist als die Konkurrenz. Zudem sollte euer Produkt auch schon einen marktfähigen Reifegrad erreicht haben.
📝 Agenda:
Dauer | Beschreibung |
---|---|
5 Minuten | Check-in: - Vorstellung Product Principles - Ziel des Workshops |
10 Minuten | Input: Sammeln von Situationen in der Vergangenheit, in der Principles geholfen hätten, Produktentscheidungen zu treffen. |
10 Minuten | Brainwriting Jeder schreibt seine Product Principles für sich auf Post-its. Ein Principle pro Post-it. |
15 Minuten | Vorstellung der Principles und Clustering Jede teilnehmende Person präsentiert der Gruppe seine Ergebnisse und warum diese so wichtig sind. |
5 Minuten | Dot Voting Jeder Teilnehmer bekommt 3 Dots und stimmt für die Principles, die am wertvollsten für das Produkt sind. |
🔥 Heißer Faciliation-Tipp: Nutzt folgende Templates, damit es Teilnehmern einfacher fällt, Product Principles zu definieren.
- "Uns ist A wichtiger als B"
- Wir glauben, dass (Statement A) wichtiger ist als (Statement B).
- Wir glauben, dass es am wichtigsten ist (Statement) ...
Make it Public
Nachdem ihr eure Product Principles erarbeitet habt, macht Werbung für sie! Hängt sie euch ins Büro (falls ihr eins habt), packt es auf ein Miro-Board, oder tätowiert sie euch auf den Unterarm. Was immer hilft, damit ihr diese zur Hand habt, wenn eine Produktentscheidung getroffen werden muss.
Empfehlenswert ist es, die Product Principles regelmäßig zu besprechen. Sind diese noch aktuell? Gab es Situationen, wo die Principles uns eher gehindert als beraten haben. Dieses Review sollte mindestens zweimal im Jahr stattfinden. Falls ihr merkt, dass euch das zu wenig ist, könnt ihr die Intervalle verkürzen.
Nutzt ihr Product Principles in eurem Produkt? Wie haben sie euch geholfen? Meldet euch gerne mit euren Gedanken dazu.
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von David Lojewski
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Blog-Autor*in
David Lojewski
Product Owner
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