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Produktstrategie als Erfolgsgrundlage: Warum du nicht mit deiner Vision starten solltest

19.12.2023 | 7 Minuten Lesezeit

Du hast bestimmt schon einmal die Aussage gehört: „Wir müssen zuerst unsere Vision definieren, und dann werden wir sehen, wie wir dorthin gelangen.“ Oder musstest du schon einmal eine Produktstrategie erstellen, nur um festzustellen, dass das Vision Statement an deiner Bürowand, das vor Monaten in einem zweitägigen Workshop erstellt wurde, keinen soliden Ausgangspunkt bietet?

Ich kann das nachvollziehen und du bist nicht allein. Viele Produktverantwortliche stehen vor der Herausforderung, ihre Produktstrategie zu formulieren. Ich habe diese Situation oft sowohl in Inhouse-Positionen als auch bei Kunden erlebt. Die Daten unterstützen dies ebenfalls: „25,3 % der Produktmanager geben an, dass die Unternehmensstrategie nicht sehr klar oder überhaupt nicht klar ist.“ (Roadmap.com ). Was erschwerend hinzukommt: Wie Marty Cagan in seinem Buch Empowered feststellt, „haben erstaunlicherweise die meisten Produktorganisationen keine Produktstrategie“. Einer der Gründe für Mängel in der Produktstrategie oder ein völliges Fehlen derselben ist der weit verbreitete Glaube unter Produktmanagern, dass sie mit der Produktvision starten und dann ihre Strategie ableiten müssten. Tatsächlich ist eine inspirierende Vision jedoch das Ergebnis der Strategie, nicht ihr Ausgangspunkt.

In diesem Artikel werde ich die Mängel des konventionellen Ansatzes hervorheben, die zeigen, dass eine Produktstrategie ihrer Vision folgen sollte. Darüber hinaus werde ich einen konträren Ansatz vorstellen, der sie auf effektivere Weise kombiniert, indem Strategie am Anfang steht, anstatt am Ende, was letztendlich zu erfolgreicheren Produkten führt.

Produktstrategie und Vision: Die Unterschiede

Bevor ich auf die Beziehung und Reihenfolge zwischen Produktstrategie und -vision eingehe, ist es wichtig zu verstehen, wie sie sich voneinander unterscheiden. Während die meisten Produktverantwortlichen die theoretischen Unterschiede zwischen diesen Konzepten verstehen, bleibt ihre praktische Anwendung oft hinter den Erwartungen zurück.

Es gibt zahlreiche Definitionen für beide Begriffe. Die Produktvision wird in der Regel als Beschreibung des gewünschten zukünftigen Zustands des Produkts in fünf bis zehn Jahren verstanden. Auf der anderen Seite ist die Produktstrategie ein Weg, der die entscheidenden Herausforderungen in einer umkämpften Situation identifiziert und eine effektive und handlungsfähige Antwort formuliert, Ressourcen bündelt und lenkt, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Es ist wichtig, Produktstrategie nicht mit Zielen, Ambitionen oder sogar der Roadmap zu verwechseln. Eine Strategie beginnt mit dem Problem in einer herausfordernden Situation und bezieht sich auf die Gegenwart, nicht auf die ferne Zukunft. Während eine Vision von Inspiration, Vorstellungskraft und Motivation getragen wird, basiert eine solide Produktstrategie auf tiefgreifenden Erkenntnissen, fokussiertem Handeln, Flexibilität und der Fähigkeit, Ressourcen effektiv zu bündeln.

Der Trugschluss: Produktstrategie aus der Vision ableiten

„Mit deiner Vision zu starten“ ist der Ratschlag, der in den meisten Veröffentlichungen zum Produktmanagement zu finden ist, und ist in vielen Unternehmen zum Standard geworden. Laut dem 2023 State of Product Management Report sind die Haupttreiber für Produktstrategie Geschäftsziele. Dies gaben 51 % der Befragten in Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern an. Zwar sind Ziele nicht dasselbe wie die Vision; dennoch ist die Studie ein Indikator dafür, dass die Strategiearbeit hauptsächlich von einem gewünschten Ergebnis in der Zukunft abgeleitet wird, das Vision und Ziele gemeinsam haben. Der zweithäufigste Treiber für Produktstrategie, mit 26 % der Angaben, ist nicht besser: Anfragen von Führungskräften oder Vertrieb. Dies deutet darauf hin, dass ihre Strategie nichts anderes als eine Wunschliste von Features ist.

Es gibt unzählige Methoden zur Entwicklung einer Strategie, jede mit ihren eigenen Nuancen. Um nur einige zu nennen: Product Vision Board, Product Strategy Canvas, OKR-Pyramide oder strategisches Managementsystem. Fast alle basieren jedoch auf dem Glauben, dass die Produktverantwortlichen einer Kaskade von Schritten folgen sollten, die oft als Pyramide, Stack oder überlappende Kreise visualisiert werden. Die Vision steht oben, manchmal gefolgt von einer Mission, und die Strategie befindet sich in der Mitte und ist mit den unteren Komponenten verbunden: der Roadmap und dem Backlog. Dieses Konzept geht auf die Arbeit von Peter Drucker zurück, dem ersten zeitgenössischen Managementtheoretiker. Er legte 1962 den Grundstein für das Verständnis von Strategie als zielgerichtete Aktivität, die eng mit langfristiger Planung verbunden ist. Bis heute wird dieses Konzept in zahlreichen Canvases fortgeführt, bei denen erwartet wird, dass du die Vision ausfüllst und die Strategie magisch ableitest.

Illustration 2: Vision Pyramid

Was sind die Konsequenzen dieses Ansatzes? So genannten Strategien, oft getarnt als Vision Statement, fehlen eine solide Grundlage. Sie sind frei von Erkenntnissen, Beweisen oder Analysen. Beispiele dafür sind „Wir wollen die Besten in unserer Branche sein“ oder „Wir streben an, das profitabelste Unternehmen bis 2028 zu sein“. Diese Aussagen versäumen es jedoch, das Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens zu beschreiben oder einen klaren Ansatz zur Erreichung von Exzellenz oder Rentabilität zu spezifizieren. Sie gleichen Gebäuden mit glänzenden Fassaden, aber ohne Fundament. Solche Strukturen können starken Stürmen und selbst Winden nicht standhalten. Wie Professor Richard Rumelt in seinem Buch Good Strategy/Bad Strategy feststellt: „Strategy is hard, but easy to explain.“ Es ist einfach, Stakeholder in einen Raum zu versammeln, eine Wunschliste auf Post-it-Notizen zusammenzustellen und einen Satz in einem Template als gewünschte Zukunft für die nächsten fünf Jahre zu definieren. Es ist jedoch viel schwieriger, tiefgreifende Einblicke in Marktdynamiken zu gewinnen, zugrunde liegende Herausforderungen zu identifizieren und effektive Antworten zur Bewältigung dieser Herausforderungen zu erarbeiten. Da die Strategie die wichtigste Säule deines Produkts ist, auf der alle folgenden Aktionen basieren, ist es gefährlich, deine Produktentwicklung mit einer nicht fundierten und willkürlichen Vision zu beginnen.

Got stuck? Beginne mit deiner Strategie und iteriere im anschließenden Prozess

Es ist entscheidend, die doppelte Natur effektiver Strategiearbeit zu erkennen: Strategie als Ausgangspunkt und ein anschließender Prozess, der flexibel und iterativ ist. Professor Sir Lawrence Freedman betont in seinem Buch Strategy — A History, dass Strategie fließend und flexibel ist und vom Ausgangspunkt und nicht vom Endpunkt gesteuert wird.

Erstens beginnt ein besserer Ansatz mit der Strategie. Sobald du eine gut durchdachte Strategie etabliert hast, ergeben sich die Vision und die strategischen Ziele natürlich als Ergebnis. Um eine solide Grundlage für deine Strategie zu schaffen, ist es entscheidend, Ressourcen und Zeit in die Strategiephase zu investieren. Dies beinhaltet umfangreiche Marktforschung, Benchmarking von Mitbewerbern, Datenanalyse, Einbindung von Branchenexperten und das Anwerben außergewöhnlicher Talente. So generierst du Erkenntnisse, die dir helfen, die wesentlichen Herausforderungen in deinem Kontext zu verstehen. Dadurch kannst du wiederum fokussierte Maßnahmen entwickeln, die dir einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Zum Beispiel arbeitete ich einmal mit einem Unternehmen zusammen, das seinen Umsatz in den nächsten fünf Jahren verdoppeln wollte. Bei genauerer Untersuchung stellte ich jedoch fest, dass ihr Ziel auf einer strategischen Erkenntnis basierte: Eine regulatorische Verschiebung von öffentlichem zu privatem Eigentum würde einen erheblichen Teil der Marktkapazität freisetzen. In diesem Fall kamen ihr strategischer Einblick und die Analyse zuerst, und das strategische Ziel folgte. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, Veränderungen und Chancen wie Verschiebungen in Technologie, Regulatorik, Kundenbedürfnissen und Wettbewerb zu identifizieren. Nur aus diesen Erkenntnissen kannst du eine Vision oder strategische Ziele ableiten, die die Handlungen deiner Strategie institutionalisieren, was wiederum ein System zur Messung des Fortschritts ermöglicht.

Illustration 2: Product Strategy Approach

Zweitens sollte der anschließende Prozess flexibel und iterativ sein. Nach Abschluss einer effektiven Strategiephase ist es entscheidend, offen für iterative Schritte zu sein, die, wie in der Illustration dargestellt, vor und zurück gehen können. Betrachte es als einen kreativen Prozess, der sorgfältiges Denken und rigoroses, iteratives Testen erfordert. Praktisch gesehen führt die Strategie zwar zunächst die Vision und die strategischen Ziele an, aber es ist auch möglich, die Strategie während der Formulierung der Vision oder der Ziele zu überdenken und zu validieren. Wie Richard Rumelt hinzufügt: „It does not require one to sort through legalistic gibberish about the differences between visions, missions, goals, strategies, objectives, and tactics. It does not split strategies into corporate, business, and product levels. It is very straightforward.“

Fazit

Ein Paradigmenwechsel im Produktmanagement erfordert, die Strategie als Ausgangspunkt zu priorisieren. Durch Investitionen in die Strategiephase, gestützt auf umfassenden Erkenntnissen und fokussierten Maßnahmen, können Produktmanager eine solide Grundlage für ihre Produktentwicklung schaffen. Dieser Ansatz gewährleistet, dass nachfolgende Vision und strategischen Ziele realitätsnah im Markt verankert sind und die Strategie effektiv operativ umgesetzt wird. Flexibilität und Iteration ermöglichen die Anpassung und Validierung strategischer Entscheidungen. Indem Produktmanager diese neue Perspektive umsetzen, können sie das volle Potenzial ihrer Produkte freisetzen und nachhaltigen Geschäftserfolg vorantreiben.

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