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Architektur Review mit LASR in Lichtgeschwindigkeit!

4.4.2025 | 15 Minuten Lesezeit

Pull off Architecture Reviews at Light-Speed with LASR!

Vorweg:

Dieser Blog basiert auf einer realen Projekterfahrung. Alle Personen, Unternehmen und Namen sind NDA-konform fiktiv und frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit einer Person, einem bestehenden Unternehmen oder einer Marke ist rein zufällig und absolut unbeabsichtigt.

Für die meisten klingt es ziemlich utopisch, eine Softwarearchitektur in nur wenigen Tagen aussagekräftig zu durchleuchten. Bis zu einem gewissen Grad auch für uns, bis wir kürzlich die Gelegenheit hatten, LASR (Lightweight Architecture Software Review) in einem Projekt anzuwenden. Wir waren zeitlich extrem eingeschränkt, das zu überprüfende System war nicht einfach, und wir hatten eine Menge Informationen zu verarbeiten. Wir konnten jedoch in kurzer Zeit aussagekräftige Erkenntnisse gewinnen, die unser Kunde für eine fundierte Entscheidungsfindung nutzen konnte.

Die Herausforderung

Wir beginnen mit der Situation zu Beginn des Projektauftrags, die sich am besten als klassische "Mission Impossible" umschreiben lässt:

Ein fiktiver Kunde - nennen wir ihn RiskInvest Ltd. - beauftragt uns mit dem Architektur Review einer fktiven Softwarelösung - nennen wir sie MoneyMaker - die von einem fiktien jungen Unternehmen - nennen wir es GarageCompany - entwickelt wurde.
Wir wurden zu Workshops über zwei Tage zu Beginn der Woche eingeladen, bei denen wir mehr über die Architektur, die Infrastruktur und die Prozesse des Systems MoneyMaker und der GarageCompany erfuhren.
Nach diesen zwei Tagen teilt uns RiskInvest Ltd. mit, dass sie bis Ende der Woche eine fundierte GO oder NO-GO Entscheidung für den Erwerb von MoneyMaker und/oder der gesamten GarageCompany benötigen.

Nach den Workshops hatten wir eigentlich genug Informationen für Wochen voll Arbeit mit einer der traditionellen Review Methoden wie ATAM oder CBAM oder arc42 basiert usw. Ziemlich uncoole "Mission Impossible" Situation nach den Workshops:

  • Viel zu wenig Zeit für klassische Review Methoden.
  • Völlig unklar, was RiskInvest Ltd überhaupt wollte, was ihnen wichtig war: Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Anforderungen und Rahmenbedingungen in Bezug auf Software, was für das Review essentiell ist. 
  • Ein Sack voll Arbeit - was wir von der Architektur und dem Code gesehen hatten, war alles andere als trivial oder einfach oder überschaubar strukturiert.
  • Das ganze Review musste remote durchgeführt werden.

Was jetzt?

Wir hatten vom ersten Moment an LASR im Hinterkopf. Die Abkürzung LASR steht für Lightweight Approach for Software Review und wurde von embarc entwickelt.

Das Verfahren konzentriert sich auf eine iterative, qualitätsorientierte Analyse mit weniger Setup- und Formalismus-Overhead. Wesentliches Merkmal ist, die entscheidenden Aspekte eines Software Systems so früh wie möglich im Review Prozess herauszuarbeiten und das weitere Review darauf zu fokussieren. LASR ist sehr gut dokumentiert und entstand aus langjähriger Erfahrung sehr vieler Architektur Reviews der Autoren von LASR. Unsere Erwartung war deshalb, die sehr kurzfristig angeforderten Ergebnisse des Reviews in Time liefern zu können.

Es ist ein relativ neues Verfahren (Sommer 2023) und wir fanden, das war die Gelegenheit, LASR in freier Wildbahn im Projekt anzuwenden! Was hatten wir zu verlieren?

Was ist LASR?

Es gibt zwei aufeinander aufbauende Ausprägungen von LASR: LASR and LASR+ (siehe Bild unten). Aufgrund der sehr knappen Zeit haben wir uns auf die erste, einfachere Ausprägung von LASR konzentriert, die aus vier Schritten besteht: Schlankes Mission Statement (1), Bewertungsmaßstab (2), Basis-Review (3) und Zielorientierte Analyse (4):

  • Der erste Schritt konzentriert sich darauf, zu verstehen, was die zu prüfende Software in Bezug auf den Kunden, seinen Kontext und seinen Auftrag besonders macht. Das hilft im folgenden Schritt bei der Fokussierung auf Schlüsselaspekte.
  • Schritt zwei konzentriert sich auf den Bewertungsmaßstab der Top-5-Schlüsselaspekte für den Erfolg des Systems auf der Grundlage von Qualitätsattributen (DIN/ISO-25010) und definiert ein Erwartungsniveau für jeden Schlüsselaspekt.
  • Im dritten Schritt werden für die Top-5-Schlüsselaspekte im Rahmen des Basis-Reviews in einer "Pre-Mortem"-Analyse erfolgskritische Risiken identifiziert, um mögliche Lücken zu identifizieren und in Bezug zu den Erwartungsniveaus zu setzen.
  • In Schritt vier werden zielgerichtete Analysen durchgeführt, wie wir sie aus ATAM kennen. Dabei konzentrieren wir uns nur auf die Schlüsselaspekte, bei denen Erwartung und Ist-Zustand deutlich voneinander abweichen.
Taken from https://www.embarc.de/themen/lasr-reviews/

Die folgenden Kapitel beschreiben unsere "Reise" gemeinsam mit dem fiktiven Kunde RiskInvest Ltd. durch LASR und welche Ergebnisse am Ende dabei für RiskInvest Ltd. herauskamen. Um NDA konform aber so nahe wie nötig an der Realität zu bleiben haben wir einige Einzelheiten weggelassen und die "Screenshots" auf fiktives Szenario umgestellt.

Mittwoch Vormittag (1): Schlankes Mission Statement MoneyMaker

Die Vorbereitungen waren kurz und knackig: Ein Miro-Board mit einem Frame, der ein Website-Symbol und PostIt-Stapel enthielt. Auf das Board luden wir drei Mitarbeiter von RiskInvest Ltd. ein.

Das Wichtigste beim Mission Statement ist, sich auf wesentliche Aussagen oder „Claims“ zu beschränken. Aus diesem Grund schlägt der LASR die „Landing Page“ Metapher vor: Erfasse auf einen Blick, worum es geht:

  • 10 Minuten - RiskInvest Ltd. schreibt Statements auf PostIts und orientiert sich dabei an diesen Fragen:
    • Was sind die wichtigsten Merkmale oder Eigenschaften von MoneyMaker?
    • Was macht MoneyMaker besonders? Was ist besonders gut?
    • Welche Anforderungen haben wichtige Stakeholder an MoneyMaker („claims“)?
  • 20-30 Minuten - Ähnliche Statements werden gruppiert von RiskInvest Ltd. unter "Headlines". Dabei kann es gerne zu kurzen Diskussionen kommen.
  • 5 Minuten - RiskInvest Ltd. stimmt für 7 -/+ 2 Statements, die unbedingt auf der Landing Page platziert werden sollen.

Et voilà - nach einer knappen Stunde hatten wir ein für RiskInvest Ltd. beeindruckend klares Mission Statement!

Mittwoch Vormittag (1): Bewertungsmaßstab definieren

Mit einem schlanken aber aussagekräftigen Mission Statement an der Hand ging es im nächsten Schritt darum, herauszufinden, welches die wichtigen Top 5 Qualitätsziele von MoneyMaker sind und deren ideales Erwartungsniveau festzulegen, d.h. wie MoneyMaker im optimalen Fall sein sollte. Qualitätsziele (vielleicht besser als NFR Nichtfunktionale Anforderungen bekannt) sind grundlegende Aspekte eines Software Systems, die ein Architektur Review üblicher Weise in einem sehr frühen Schritt betrachet.

Um die Diskussion zu erleichtern, haben uns die Macher von LASR ein Spiel zur Verfügung gestellt. Das Grundkonzept für dieses Spiel sind Qualitätsziele - das sind Aspekte, die auf den ISO-25010 Spezifikationen für Softwarequalität basieren.

Wir bereiteten auf unserem Miro Board ein weiteren Frame vor, auf dem wir die "Karten" mit Qualitätszielen (PNG-Bilder) aus dem Unterstützungsmaterial der LASR-Community platzierten.

Für den ersten Schritt hatten wir erst einmal 5 Qualitätsziele zufällig ausgewählt und im Frame als eine Art Diskussionsgrundlage platziert. Rechts daneben hatten wir dann die restlichen Qualitätsmerkmale in einem Backlog abgelegt. Darunter blieb ein Bereich frei für Qualitätsziele, die diskutiert und aussortiert wurden:

Das Spiel haben wir dann auf folgende Weise gespielt:

  • Ein Mitarbeiter der RiskInvest Ltd. wählt ein noch nicht diskutiertes Qualitätsziel von rechts aus dem Backlog aus und platziert es als „Challenger“ unter den 5 ausgewählten Qualitätszielen.
  • RiskInvest Ltd. überlegt und diskutiert dann, ob und welches der ausgewählten Qualitätsziele durch den „Challenger“ verdrängt werden würde.
  • Am Ende jeder Runde wird ein Qualitätsziel in den Bereich „Declined“ gestellt, unabhängig davon, ob es ein „Challenger“ oder ein verdrängtes Qualitätsziel war.
  • Die wichtigsten Pro- und Contra-Argumente werden als PostIt neben den jeweiligen Qualitätszielen zur Dokumentation der Diskussionen gesammelt.

Als optionaler Schritt hat RiskInvest Ltd. die ausgewählten T0p 5 und aussortierten Qualitätsziele nochmals in der Übersicht verglichen, um zu sehen, ob die getroffene Auswahl für RiskInvest Ltd. insgesamt stimmig ist. Theoretisch könnte die Anzahl der ausgewählten Objekte eventuell verändert werden, d.h. auf 5 +/- 2. Das sollte aber wirklich nur in gut begründeten Fällen gemacht werden, mit zu vielen Qualitätszielen werden die Diskussionen zu komplex. Mit zu wenigen wird das Ergebnis zu wenig aussagekräftig.

Unsere Herausforderung bestand darin, RiskInvest Ltd. mit unserem Wissen über IT-Architektur und speziell der Software Qualitätsziele zu einem guten und klaren Verständnis der Qualitätsziele zu verhelfen, um die richtige Einschätzung der Relevanz treffen zu können. Wir hatten damit zu kämpfen, RiskInvest Ltd. auf die für das System und das Mission Statement wichtigen bzw. relevanten Qualitätsziele konzentrieren und nicht nur über Aspekte des Systems zu diskutieren, die als „Pain Points“ oder „Goodies“ besonders aufgefallen waren.

Der LASR berücksichtigt 14 Qualitätsziele, d.h. es gibt 9 „Challengers“ plus eine Abschlussdiskussion von jeweils 5-10 Minuten. Für die Auswahl der Qualitätsziele sollte man sich also zwischen 50 und 100 Minuten Zeit nehmen - also zwischen 1 und 2 Stunden mit Pause. Wir hatten diesen Zeitrahmen zwar deutlich gerissen, aber durch die Diskussionen mit RiskInvest Ltd. wiederum viel über deren Motivation und Bedarfe gelernt.

Im zweiten Schritt wollten wir die Erwartungen an die Top 5 Qualitätsziele quantifizieren und in einer Grafik übersichtlich darstellen. Dieses Erwartungsniveau ist eine Art Gewichtung und macht es im weiteren Verlauf von LASR leichter, die wirklich wichtigen Pain Points zu identifizieren.

Wir baten die Mitarbeiter der RiskInvest Ltd., ihren top 5 Qualitätsziele innerhalb von einer kurzen Zeit - 5 Minuten - nach untenstehendem Schema einen Erwartungswert zu geben, indem jeder Mitarbeiter ein PostIt mit seiner Bewertung (ein Wert zwischen 25 und 100) an das jeweilige Qualitätsziel heftete.

Es war für uns überraschender Weise nicht einfach, RiskInvest Ltd. dieses Schema zu erklären. Warum? Was heißt "Standard Lösungen reichen nicht aus" (75) für RiskInvest Ltd. oder was bedeutet "Es gibt Herausforderungen, aber die sind lösbar" (50)? Woher sollte RiskInvest Ltd. wissen, was das jeweils bedeutete? Ohne unsere Hilfe bzw. technische Einschätzung war das für RiskInvest Ltd. aus dem Stand heraus nicht leistbar.

Eine weitere Hürde war die 5-Minuten-Timebox für die Bewertung, eine relativ kurze Zeit dafür. Es war wichtig, RiskInvest Ltd. das Verständnis bzw. die Sicherheit zu geben, dass es hier um eine eher intuitive Bewertung bzw. nach Bauchgefühl geht. Der Zeitdruck dient vor allem auch dazu, nötige Diskussionen auf besonders die Bewertungen konzentrieren zu können, die sehr unterschiedlich ausfallen: Wenn Qualitätsziele von den Teammitgliedern signifikant unterschiedlich bewertet wurden (ein guter Richtwert könnte hier mehr als 20 % des Durchschnitts sein) lohnt es sich im Team die Bewertungen zu hinterfragen. Für alle anderen Qualitätsziele ist der Mittelwert vollkommen ausreichend. Darüber hinaus ist es eine gute Idee, diese Diskussionen auf max. 20 Minuten zu begrenzen.

Das LASR-Material enthält auch eine Excel-Tabelle, die eine Spider-Map für max. 5 Qualitätsziele darstellt. Dort trugen wir die Ergebnisse der Bewertung ein und erhielten das folgenden Erwartungsniveau für die Top 5 Qualitätsziele:

Am Mittwochmittag hatten wir dann neben einem schlanken Leitbild für die MoneyMaker-Entscheidung auch schon die wichtigsten Qualitätsziele und eine Einschätzung, wie wichtig diese aus Sicht der RiskInvest Ltd. waren.

Mittwoch Nachmittag: Basis Review

Der fehlende Baustein für eine erste grobe, aber verlässliche Aussage für eine Entscheidung von RiskInvest Ltd. über MoneyMaker war nun eine Einschätzung, wie MoneyMaker die Erwartungen der Qualitätsziele tatsächlich erfüllt. Das erforderte einen tieferen Einblick in MoneyMaker (Prozesse, Code, Deployment, Operations, etc.). Den hatten wir schon durch die anfänglichen Workshops mit der GarageCompany erhalten, waren uns aber auch darüber im Klaren, dass RiskInvest Ltd. sich schwer tun würde, insbesondere bei technischen Risiken eine sinnvolle Einschätzung treffen zu können.

Der LASR schlägt zu dieser Einschätzung die „Pre-Mortem“-Analyse vor: Erkennbare Risiken für den Erfolg des Einsatzes der Software werden identifiziert und nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe bewertet und dann vom Erwartungsniveau "subtrahiert"Wer öfter Software Systeme betrachtet, wird schnell feststellen, dass es eine definierbare Menge von Risiken gibt, die für jedes Software System mehr oder weniger relevant sein können. LASR hat insgesamt 8 Risikogruppen mit jeweils 4 signifikanten bzw. realitätsnahen Risiken identifiziert. Das spart enorm Zeit, weil man sich nicht erst die Risiken überlegen muss oder signifikante Risiken übersehen kann. Sollte ein spezielles signifikantes Risiko fehlen, dann spricht nichts dagegen, diese von LASR vordefinierte Menge speziell für das Review zu erweitern. Und umgekehrt muss man auch nicht alle 32 Risiken aller 8 Risikogruppen zur Auswahl stellen.

Für die Pre-Mortem Analyse hatten wir unser Miro Board erneut um einen neuen Frame mit den Risikokarten aus dem Material der LASR-Community erweitert:

  • Im ersten Schritt wurden potenzielle Risiken identifiziert und den jeweiligen Qualitätszielen zugeordnet - dafür haben wir uns max. ca. 10 Minuten pro Risikogruppe Zeit genommen:
  • Der nächste Schritt war die Bewertung dieser Risiken: Wie wahrscheinlich ist es, dass sie in einer absehbaren Zeit eintreten würden? Und wie hoch wäre der Schaden? - für jedes Risiko max. ca. 10 Minuten.

Schließlich wurden die Risikowerte für jedes Qualitätsziel summiert und vom erwarteten Wert abgezogen. Hier ein Beispiel für die Berechnung des tatsächlichen Erwartungsniveaus für das Attribut Benutzerfreundlichkeit:

  • Erwartungswert: 95
  • Risikowerte: 40
  • Formula risk value:

<Erwartungswert> - (<Erwartungswert>/100 * <Risikowerte>)

95 - (95/100 * 40) = 57

Für jedes Qualitätsziel berechneten wir die Risikowerte und trugen sie in die Spider-Map ein:


Im Fall der Benutzerfreundlichkeit von MoneyMaker wurden sofort große Unterschiede zwischen den Erwartungen und der Realität deutlich. Darauf sollte sich eine spätere, tiefer gehende Analyse konzentrieren.

Die Herausforderung bestand darin, die Diskussion der Risiken in Bezug auf Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung innerhalb des Zeitrahmens und auf einem verhältnismäßigen und pragmatischen Niveau zu halten. Es war schwierig, RiskInvest Ltd. ein realistisches Bild dessen zu vermitteln, was wir in den anfänglichen Workshops wahrgenommen hatten - es kann also sinnvoll sein, dafür je nach Kunde extra Zeit einzuplanen.

Wir hatten beobachtet, dass unsere Berichte und Findings aus den anfänglichen Workshops bei RiskInvest Ltd. zu einer ausgesprochen konservativen Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit und vor allem des Schadens führte und in der gesamten Betrachtung ein unrealistisch negatives Bild von MoneyMaker entstand. Es hatte uns dann geholfen, die komplette Risiko Einschätzung zu wiederholen bzw. besonders hohe Werte noch einmal kritisch zu hinterfragen.

RiskInvest Ltd. hatte vor allem auch mit dem Begriff der "Eintrittswahrscheinlichkeit" Schwierigkeiten: Rein theoretisch trifft jedes Risiko irgendwann in unendlich langer Zeit ein und wird zum Problem. Es half sehr, sich auf einen Zeitrahmen zu einigen - "Wie wahrscheinlich ist es, dass Risiko X im Zeitraum Y eintritt?". Die Klassifizierung der "Schadenshöhe" war dagegen für RiskInvest Ltd. völlig klar: "disastrous" = Totalausfall der Investition, "impeding" = irgendwie kompensierbarer Verlust und "tolerabel" = Im Rahmen des Budgets

Donnerstagmorgen - Vertiefung

Im Rahmen der „Pre-Mortem“ Analyse und der Workshops mit der GarageCompany zu Beginn hatten wir uns bereits einen ersten Überblick über MoneyMaker als Softwareprodukt verschafft und beschlossen, etwas Zeit in eine tiefergehende Analyse der Differenzen zwischen Erwartung und Realität zu investieren - was der nächste (und letzte) Schritt in der LASR-Basismethode ist, die zielorientierten Analyse. Wir wollten einen genaueren und detaillierteren Blick in das System, um unsere Einschätzung vom Vortag noch weiter zu präzisieren. Diese tiefergehende Analyse geschah in Form eines tatsächlichen Deep-Dives in den Code (Bottom-up), zeitweise auch zusammen mit den Mitarbeitern von GarageCompany, die am System arbeiteten.

Im Frontend fanden wir relativ gut gewarteten, sauberen Code mit guter Testabdeckung durch vollautomatisierte Tests und vor allem ohne überdurchschnittlich hohe technische Schulden. Der CI/CD-Prozess war auf dem neuesten Stand der Technik (QA-Gateways wie statische Codeanalyse, Sicherheitsscans usw.) und wurde durchgehend automatisiert.

Im Backend stießen wir jedoch auf Code von signifikant unterschiedlicher Qualität (Testabdeckung, technische Schulden usw.). Wir sahen eine inkonsistente Strukturierung der Module bzw. Komponenten und fanden deutliche Unterschiede zwischen Architektur und Implementierung. Weder die Architektur noch die Implementierungen konnten wir in Stichproben als funktional angemessen bezeichnen, und die Implementierungen, die wir uns genauer ansahen, empfanden wir als signifikant und unnötig komplex.

So versuchten wir beispielsweise eine sehr einfache und schnelle Änderung des Verhaltens einer einzelnen Funktion eines Moduls im Backend und scheiterten daran, dass dies Änderungen an mehreren anderen Codestellen (Code, Konfiguration, viele Tests) erfordert hätte. Das bedeutete eine enge Kopplung, was wiederum mehr Aufwand bedeutet, wenn z.B. nur einfache Änderungen am Code erforderlich sind.

Aussagen der MoneyMaker-Entwickler bestätigten, dass UI-Flows aufgrund der erhöhten Komplexität im Backend & Prozessen nicht immer optimal umgesetzt werden konnten.

Nach diesem Schritt hatten wir eine wirklich gute und belastbare Vorstellung vom aktuellen Zustand von MoneyMaker. Wir hatten für diese zielorientierte Analyse erstaunlicher Weise kein konkreteres Ziel, als uns stichprobenartig Bottom-up durch MoneyMaker hindurch zu arbeiten und uns von unserer Erfahrung bzw. Bauchgefühl leiten zu lassen. Bottom-up hatten wir bewusst gewählt, weil die bisherige Analyse mehr aus der Perspektive einer "Aussensicht" bzw. "Draufsicht" erfolgt war, wir hatten das dringende Bedürfnis, uns MoneyMaker etwas intensiver von "Innen" her quasi aus dem "Maschinenraum" heraus anzusehen.

Donnerstagnachmittag - Zusammenfassung

Wir hatten eine erste grobe und konservative Schätzung des Aufwands für die Beseitigung der technischen Schulden im Backend von MoneyMaker vorgenommen, um RiskInvest Ltd. auch eine grundlegende finanzielle Orientierung zu geben.

Zusammen mit RiskInvest Ltd. diskutierten wir schließlich die folgenden Optionen, die für RiskInvest Ltd. zur Entscheidung anstanden:

  1. Nur die Rechte an MoneyMaker inklusive Code, DevOps etc. erwerben und eine eigene Version von MoneyMaker+ 2.0 in Eigenregie entwickeln, oder
  2. nur die Rechte an MoneyMaker inkl. Code, DevOps etc. übernehmen, die eigene Weiterentwicklung organisieren und technische Mängel selbst beheben oder
  3. GarageCompany übernehmen inklusive MoneyMaker komplett oder
  4. die Rechte an MoneyMaker inklusive Code, DevOps etc. übernehmen und GarageCompany mit der Weiterentwicklung und Behebung von technischen Mängeln beauftragen.

RiskInvest Ltd. war von der Funktionalität von MoneyMaker überzeugt, entschied sich aber aufgrund der fachlichen und technischen Risiken gegen die Entwicklung einer eigenen Lösung (Option 1) und wollte auch nicht die Rechtsnachfolge von GarageCompany antreten (Option 2). Letztlich sollte die grobe und konservative Schätzung der Kosten für die Behebung der technischen Schulden ein wichtiger Entscheidungsfaktor in den Verhandlungen zwischen RiskInvest Ltd. und GarageCompany sein (Option 3 oder 4).

Zusammenfassung und Happy End

Die Durchführung dieses Reviews mit LASR hat unsere Vorstellung, dass Architektur Reviews grundsätzlich mit einigem Aufwand und Zeit verbunden sind, komplett über Bord geworfen. Die Betrachtung des Systems haben wir viel fokussierter und deutlich intensiver erlebt. Uns hat vor allem begeistert, dass LASR eine intensive Zusammenarbeit mit unserem Kunde RiskInvest Ltd. erforderte. Dank des Unterstützungsmaterials war das auch sehr gut gelungen. Bei all unserer Begeisterung für LASR nach diesem Workshop sollte man sich aber darüber im Klaren sein, dass LASR selbst weniger auf ein vollständiges Architektur Review. Es zielt darauf ab, das Review auf die relevanten Aspekte des Systems zu konzentrieren. Mit LASR+ wird dann eine etwas breitere und umfänglichere Betrachtung vorgenommen, entsprechend kann LASR+ dann auch deutlich aufwändiger sein.

In zwei Tagen hatten wir diese uncoole "Mission Impossible" tatsächlich geschafft:

  • verstanden, worum es bei der Softwarelösung ging und warum sie für den Kunden wichtig war,
  • herausgefunden, welche Eigenschaften der Software am wichtigsten waren,
  • sehr reale Risiken identifiziert und es geschafft, sie in Bezug auf Wahrscheinlichkeit und Auswirkungen abzuschätzen,
  • und einen Bericht erstellt, der vom Management des Kunden direkt für eine fundierte Entscheidung verwendet werden konnte.

Wer sich entscheidet, das Buch zu LASR zu kaufen, bekommt damit auch den Zugang zum kompletten Material (Qualitätsziele, Risiko Karten, Templates, Spider Map etc.) in digitaler Form.

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